Recht aktuell

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Dec
10
2021

"Bundesnotbremse" nicht unerwartet verfassungsgemäß

Es ist hier nicht der Ort, eine solch komplexe verfassungsgerichtliche Entscheidung ausführlich zu besprechen. Mit Blick auf die lebhafte öffentliche Diskussion erscheinen allerdings zwei Hinweise angezeigt:


Die seit Wochen tobende Diskussion um den "Entzug von Grundrechten" übersieht, dass kein Grundrecht schrankenlos gilt. Dies ist sogar bei solchen Grundrechten der Fall, die keinen ausdrücklichen normativen Vorbehalt im Verfassungstext aufweisen. Hier gibt es seit eh und je sog. immanente Grundrechtsschranken, die spätestens dann zu diskutieren sind, wenn eine Kollision mit den Grundrechten anderer Bürgerinnen und Bürger auftritt. Im Übrigen ist das keine neue verfassungsrechtliche Erkenntnis, vielmehr gibt es Rechtsprechung und Lehre zu den Grundrechtsschranken und zu den Grundrechtskollisionen bereits ab dem Inkrafttreten des Grundgesetzes. Auf Grund einer (zu) stark individualrechtlich geprägten Betrachtungsweise grundrechtlicher Zusammenhänge insbesondere im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte sind diese elementaren Zusammenhänge etwas aus dem Blick geraten.


Das Bundesverfassungsgericht hat in der Regel zwischen mehreren grundrechtlich geschützten Positionen abzuwägen. Da der Lebens- und Gesundheitsschutz der Bevökerung insgesamt sowie die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems überragend wichtige Gemeinwohlbelange sind, überrascht das Abwägungsergebnis "in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie" nicht.


Zu bedenken ist darüber hinaus, dass es bei den Maßnahmen des Gesetzgebers und - nachfolgend - der Exekutive um solche der Gefahrenabwehr geht. Hierbei kommt es nach jahrzehntelanger gefestigter Rechtsprechung zum einen auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Ergehens der angegriffenen Entscheidung an, zum anderen müssen bei der Prüfung der "Gefahr" Unwägbarkeiten in tatsächlicher Hinsicht in Kauf genommen werden. Juristen kennen dies aus ihrer Ausbildung u.a. im Zusammenhang mit den verschiedenen "Gefahrenbegriffen". Es liegt in der Natur einer neuartigen Pandemie, dass die Unwägbarkeiten insbesondere bei den Strategien zu ihrer Bekämpfung besonders groß sind, so dass sowohl dem Gesetzgeber als auch der Exekutive in der Detailausgestaltung der Maßnahmen zwangsläufig ein großer Spielraum zugestanden werden muss. Wie die jüngere Erfahrung zeigt, ändern sich medizinische Erkenntnisse sowie die Details der Gefahrenlage fast wöchentlich.


Wer sich näher informieren möchte, sollte sich in einem ersten Schritt die Pressemitteilung des BVerfG Nr. 101/2021 vom 30. November 2021 anschauen. Dort ist auch ein Link zu der (äußerst umfangreichen) vollständigen Entscheidung vorhanden.


BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a.


Rechtsanwalt Prof. Dr. Herbert Limpens


  


 


 


 

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