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Aug
07
2018

Der Europäische Gerichtshof zur Rechtsstaatlichkeitskrise in Polen

Zuweilen mag es angezeigt sein, an dieser Stelle den juristischen Blick auch einmal über den Tellerrand der nationalen Rechtsordnung hinaus schweifen zu lassen.


Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor wenigen Tagen eine bedeutsame Entscheidung veröffentlicht, die sich – erstmals – mit einer Rechtsstaatlichkeitskrise in einem EU-Mitgliedstaat befasst. Es geht um Polen.


Bemerkenswert an dieser Entscheidung sind – abgesehen vom Inhalt - vorab zwei Punkte, nämlich zum einen die Schnelligkeit, mit der der Europäische Gerichtshof in dieser offenbar auch in Luxemburg als dringlich empfundenen Sache entschieden hat, zum anderen das Verfahren, das zu der kurzfristigen Befassung des EuGH mit dieser brisanten Problematik geführt hat.


Hintergrund und Ausgangspunkt des Verfahrens war ein auf drei Europäische Haftbefehle gestütztes Auslieferungsersuchen der Justizbehörden Polens (Ausstellungsstaat) in Bezug auf einen in Irland (Vollstreckungsstaat) inhaftierten Drogendealer mit polnischer Staatsangehörigkeit. Hierzu sollte man wissen, dass eine Auslieferung auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls im Laufe der Jahre bereits zahlreiche nationale Gerichtsinstanzen obersten Rangs beschäftigt hat. In der Sache ging es regelmäßig um die Frage, wann die auf dem Grundsatz gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung der mitgliedstaatlichen Grundrechtstreue als widerlegt anzusehen ist.


In der aktuellen Konstellation hatte der irische High Court mit Vorlageentscheidung vom 12.03.2018 – IEHC 119 – das dortige (Auslieferungs-)Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Auslieferungen nach Polen angesichts der dort vorherrschenden systemischen Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit künftig unterbleiben müssten. Bereits mit Urteil vom 25.07.2018 (!) hat der EuGH entschieden, dass es nach einer Einzelfallprüfung zulässig sein könne, die Vollstreckung eines polnischen EU-Haftbefehls abzulehnen. Halte die Vollstreckungsbehörde nach Abschluss weiterer Prüfungen die Gefahr für gegeben, dass der Betroffene in seinem Grundrecht auf ein unabhängiges Gericht verletzt und damit kein faires Verfahren erhalten werde, müsse die Auslieferung sogar abgelehnt werden.


Von besonderer, weit über den Einzelfall hinausgehender europarechtlicher Bedeutung sind die Ausführungen des EuGH zum Inhalt richterlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.


EuGH, Urteil vom 25.07.2018 – C-216/18 PPU –


Rechtsanwalt Prof. Dr. Herbert Limpens


 

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