Recht aktuell

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Jul
21
2020

Entschädigung für schließungsbedingte Umsatz- und Gewinneinbußen?

Im laufenden Monat Juli 2020 ist ein Urteil des Landgerichts Hannover zu diesem Problemkreis bekannt geworden. Es ist in einem Hauptsacheverfahren ergangen, enthält mithin nicht die Unwägbarkeiten einer rechtlichen Beurteilung im Rahmen des (bloß) vorläufigen Rechtsschutzes. Das Urteil wird in der Juristenwelt als eine Art "erster Aufschlag" angesehen. Das Landgericht hat sich angesichts der Kürze der Zeit mit der ausführlichen Begründung bemerkenswert viel Mühe gegeben.


Die Grundkonstellation war durchaus corona-typisch: Gegenüber einem Restaurationsbetrieb wurde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes iVm einer einschlägigen Rechtsverordnung eine Betriebsschließung (mit Ausnahme von Außer-Haus-Verkäufen) ausgesprochen. Die Schließung dauerte vom 28.03.2020 bis 10.05.2020 an. Die Angestellten gingen in Kurzarbeit; der Betreiber des Restaurants erhielt aus Bundes- und Landesmitteln einen Überbrückungszuschuss in niedriger fünfstelliger Größenordnung. Der Kläger beziffert den ihm durch die verordnete Betriebsschließung entstandenen Schaden auf mehr als 50.000 €.


Das Landgericht Hannover hat diese Klage abgewiesen. In der Urteilsbegründung befasst sich das Gericht mit zahlreichen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, deren rechtliche Voraussetzungen aber in keinem Falle als erfüllt angesehen werden.


Im Einzelnen geht es um einen evtl. Anspruch aus § 56 Abs. 1 oder 1 a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), um eine evtl. Entschädigung aus § 65 Abs. 1 IfSG sowie um die Frage, ob sich aus einer analogen Anwendung dieser Entschädigungstatbestände etwas zugunsten des Klägers ergeben könnte. Hier befasst sich das Gericht eingehend u.a. mit der Enstehungsgeschichte des IfSG und dessen diversen Novellierungen.


Darüber hinaus werden Zahlungsansprüche aus dem allgemeinen Polizeirecht diskutiert; in diesem Zusammenhang berücksichtigt das Gericht auch den Umstand, dass sich unstreitig weder ein vom Betreiber selbst noch von seinem Restaurationsbetrieb ausgehender Corona-Verdachtsfall ergeben hat. Schließlich werden - sehr ausführlich - Zahlungsansprüche aus dem Rechtsinstitut des sog. enteignenden Eingriffs sowie aus sog. Aufopferung erörtert.


Die Aufzählung dieser möglichen Anspruchsgrundlagen verdeutlicht bereits, in welchem Umfang der Fragenkreis juristisch problembeladen ist und welch hoher Stellenwert der detaillierten Aufarbeitung des genauen Sachverhalts und der damit einhergehenden Rechtsfragen zukommt.


LG Hannover, Urteil vom 9. Juli 2020 - 8 O 2/20 -


Rechtsanwältin Dr. Christina Bongartz


 

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